08.03.2023Interne Kommunikation4 Min. Lesezeit

Mitarbeiter-Kommunikation in Krisenzeiten: Wenn die Welt nicht berechenbar ist, seien Sie es

Externe Dauerkrisen lassen sich aus Unternehmenssicht nicht kontrollieren. Aber es gibt Mittel, Mitarbeitenden Halt zu geben. Jonathan Fasel, Experte für Krisenkommunikation, bringt sie auf den Punkt.

Neben den Folgen der Corona-Pandemie kämpfen Unternehmen mittlerweile mit den Effekten des Kriegs in der Ukraine, mit Lieferengpässen, exorbitanten Energiepreisen und einer Rekord-Inflation. Daraus ergibt sich ein Krisen-Mix, der tief in den Alltag der Mitarbeitenden vordringt und sie verunsichert. Gerüchte über Produktionsausfälle wegen Energieknappheit machen die Runde. Andere haben Angst vor Auftragseinbrüchen und bangen um ihren Arbeitsplatz.

Umso wichtiger ist es, Mitarbeitenden in diesen Zeiten Halt zu geben. Für Führungskräfte ist die interne Kommunikation ein Drahtseilakt: Sie müssen zum einen sicherstellen, dass alltägliche Aufgaben weiter erledigt werden, und gleichzeitig für Klarheit und Richtung im Unternehmen sorgen. Dafür braucht es engagierte und transparente Führungskompetenzen, um die Mitarbeitenden in der Krise mitzunehmen.

Mit folgenden Handlungsempfehlungen navigieren Sie sich auch durch andauernde Krisen.

Porträtbild von Jonathan Fasel, Experte für Krisenkommunikation

Jonathan Fasel, Experte für Krisenkommunikation

Der Journalist und ehemalige Unternehmenssprecher führt die Kommunikationsagentur Fasel & Fasel, die sich auf PR und Krisenkommunikation spezialisiert hat. Seine Stationen: Studium der Journalistik und Politikwissenschaften in Leipzig und Grenoble. Aufbau der Unternehmenskommunikation der Europäischen Strombörse in Paris und Sprecher eines Unternehmens in Bereich Digitalisierung in Leipzig. Kampagnen für Ministerien und internationale Unternehmen.

1. Reden ist Gold – erst recht in der Dauerkrise

Menschen schätzen es, wenn sie regelmäßig informiert werden – auch über kleinere Veränderungen. Denn so werden sie mitgenommen: Regelmäßige Mitarbeiterkommunikation transportiert Wertschätzung und Respekt – ein wesentlicher Faktor gegen die Ohnmacht angesichts der Krise.

Zu diesem Ergebnis kamen auch Forschende des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft in der Schweiz. In einer Auswertung von qualitativen Interviews mit Führungskräften fanden sie heraus, dass regelmäßige Kommunikation die Motivation der Mitarbeiter:innen erhöht. Wer kommuniziert, behält zudem die Deutungshoheit: Wenn Sie der erste Überbringer einer Botschaft sind, bestimmen Sie die Tonalität. 

2. Erklären Sie Ihre Entscheidungen

Egal, welche Krise droht – wenn die Welt nicht berechenbar ist, seien Sie es. Sprechen Sie über die Dinge, bei denen weitestgehend Gewissheit herrscht. Erklären und begründen Sie alle Pläne, Maßnahmen und Entscheidungen. Klappern Sie die W-Fragen ab, insbesondere das Wie und Warum. Das fördert das Verständnis für Ihre Handlungen und die Unternehmensstrategie.

2 von 5 Geschäftsführern sind nicht bereit, transparent zu kommunizieren.

3. Rufen Sie den Kernzweck des Unternehmens ins Gedächtnis

Die Mission und Vision Ihres Unternehmens, also das "Was" und "Warum" Ihres Handelns, geben Orientierung – vor allem in Krisenzeiten. Idealerweise ist beides sowohl nach innen als auch nach außen klar formuliert und kommuniziert. Nutzen Sie Mission und Vision, um Ihrer Tätigkeit Sinn zu verleihen. Wenn Ihre Mitarbeiter:innen wissen, was sie mit ihrer Arbeit in der Welt bewegen, fällt Ihnen die Arbeit in der Krise leichter.

Und falls Sie den Kernzweck nicht klar definiert haben, machen Sie sich an die Arbeit: Mission und Vision sind das Fundament eines gesunden Unternehmens. Und nein, „Geld verdienen“ ist weder Mission noch Vision.

4. Wechseln Sie regelmäßig die Perspektive

Versetzen Sie sich in die Mitarbeiter:innen hinein und versuchen Sie, ihre Sorgen und Ängste nachzuvollziehen. Sprechen Sie mögliche Fragen, Ängste und Unsicherheiten ihrer Mitarbeiter:innen an. Spüren Ihre Beschäftigten diese ehrliche Empathie, wird es ihnen leichter fallen, Ihnen zu vertrauen. Nehmen Sie dabei auch Themen auf, die nicht unmittelbar mit der Arbeit zu tun haben – so wird klar, dass es Ihnen um die Menschen und nicht nur das Wohl des Unternehmens geht.

Jonathan Fasel, Experte und für Krisenkommunikation & Geschäftsführer von Fasel & Fasel

"Verzichten Sie auf Euphemismen! Krisen sind keine dornigen Chancen."

Jonathan Fasel

Experte und für Krisenkommunikation & Geschäftsführer von Fasel & Fasel

5. Verzichten Sie auf Euphemismen 

Eine Studie der Universität Mailand zur internen Kommunikation während der globalen Finanzkrise im Jahr 2009 stellte große Unterschiede zwischen dem fest, was Führungskräfte kommunizieren wollen, und dem, was tatsächlich bei den Mitarbeiter:innen ankommt. Grund dafür sind unscharfe, ins Positive verdrehte Botschaften der Unternehmensführung, die bei vielen Beschäftigten Argwohn auslösen.

Die befragten Angestellten kritisierten die Kommunikation von oben herab und warfen ihren Unternehmen Opportunismus vor. Verzichten Sie auf Euphemismen! Krisen sind keine „dornigen Chancen“. Wenn Ihre Mitarbeiter:innen gerade um ihren Arbeitsplatz bangen, braucht es klare Ansagen. Um den heißen Brei herumzureden, heizt die Gerüchteküche in Krisenzeiten erst recht an. Gewinnen Sie das Vertrauen Ihres Teams durch Ehrlichkeit, nicht durch falsche Versprechen oder Beschwichtigungen. 

Checkliste für die Mitarbeiterkommunikation in Krisenzeiten

6. Schaffen Sie Anlässe für Fragen

Jeder Mensch verarbeitet Informationen unterschiedlich und hat einen anderen Kommunikationsbedarf. Eine Studie von Jesper Falkenheimer von 2022 deutet darauf hin, dass Mitarbeiter:innen Botschaften der internen Krisenkommunikation unterschiedlich wahrnehmen, je nachdem, welcher innerorganisatorischen Gruppe sie angehören. Menschen in der Produktion müssen beispielsweise eher im persönlichen Gespräch abgeholt werden.

Für Mitarbeiter:innen, die am Bildschirm arbeiten, sind E-Mail und Videokonferenzen gut geeignet. Für beide Gruppen eignen sich niederschwellige Angebote für Smartphones wie etwa Mitarbeiter-Apps. So kann die Kommunikation maßgeschneidert an den jeweiligen Bedarf anpasst werden.

Denken Sie auch über die Größe des Formats nach: Manch einer braucht ein physisches Townhall-Meeting mit der gesamten Belegschaft, um seine Fragen zu stellen. Andere bevorzugen ein diskretes Mittagessen mit dem Vorgesetzten. Auch bei Remote-Arbeit gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten: vom digitalen Staff Meeting mit Chat-Fragerunde bis hin zum digitalen Team-Event in kleiner Runde, bei der heikle Themen im lockeren Rahmen persönlich angesprochen werden können.

In Zahlen: Auswirkungen der Dauerkrise

7. Beziehen Sie Sichtweisen aller Zielgruppen ein

Sie sollten nicht nur im kleinen Zirkel der bereits gut informierten Führungsriege über die Botschaften und Kanäle der internen Kommunikation entscheiden. Eine Studie von Yeunjae Lee aus dem Jahr 2021 stellt fest, dass eine diversitätsorientierte Führung zu einer besseren internen Kommunikation während einer Krise beiträgt, weil sie als transparenter gilt. Sie stillt das Bedürfnis der Beschäftigten nach Autonomie, Kompetenz und Anerkennung.

Fazit und Quick Check

Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Empathie: Damit überstehen Sie und Ihr Team auch Dauerkrisen. Im besten Falle geht das Team sogar stärker aus ihr hervor. Denn wer in der Dauerkrise zueinander hält, lernt sich besser kennen – und bleibt im Zweifel dem eigenen Team treu.

Wie gut ist Ihre Krisenkommunikation?

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